+++ eine handverlesene Auswahl edler Picardellics verteilt sich auf drei Rennen +++ Senioren starten in der aufgehenden Morgensonne +++ Neumi mit einem fabelhaften Comeback +++ seine Angetraute und die Geliebte jubeln ihn über den Zielberg +++ sein Nachwuchs versucht derweil die zu engen Familienbande zu lösen +++ dramatische Flucht schlägt schon am Rande des Pakplatzes fehl +++ Sandra und Christian tapfer im Hobbyrennen +++ Jan mit großem Kuchenteller auf dem Sofa +++ lediglich unser Marathonmatze erreicht das Ziel im Hauptrennen +++ Eric, im Lehrgang partiell füllig geworden, absolviert mit Mühe die Seniorendistanz im Hauptrennen +++ Shimano-Laufrad magnetisch von Sram-Schaltwerk angezogen +++ Holgi und Mister Zylinder von nun an als siamesische Zwillinge unterwegs +++ Heilungs- und Reparaturprozesse eingeleitet +++
Im letzten Jahr verteilten sich die beiden entscheidenden Anstiege beim 19. Rund ums Muldental auf gut 20 Kilometer. Diesmal sollten lediglich 10 Kilometer pro Runde zu fahren sein, allerdings unter Beibehaltung der beiden einpraegsamen Anstiege. Die neue Abfahrt zur Mulde zeigte sich 2008 kurvenreich aber, Vertrauen in die Fahrkuenste der Mitfahrer vorausgesetzt, unspektakulaer. Der Kohlenberg wie immer, schattig und einladend zu Beginn und am Ende schweisstreibend steil und schier unendlich.
Neumi bot in seiner festlich geschmueckten Familienkutsche noch freien Platz, geeignete Argument und leichte Gewalt auf, um mich zur Mitfahrt zu bewegen. Sein festes Versprechen den fehlenden Nachtschlaf (vgl. auch: "Kuestentour 2008 - ein Hotelzimmer, zwei Frauen, 680 Kilometer, wenig Schlaf" - eine Studie zum Beziehungsmanagement unter Extrembedingungen, bislang unveroeffentlicht) nachholen zu koennen, gab den Ausschlag und ich stieg ein. Den gesellschaftlichen Konventionen Tribut zollend, schenkte ich der mitreisenden Ehefrau, seiner Geliebten und dem pubertierenden Sproessling (dessen Entwicklungsstand von den aufsichtspflichtigen Elternteilen dramatisch unterschaetzt wurde, wie die weiteren Entwicklungen zeigen werden) meine Aufmerksamkeit und taeuschte Gespraechsbereitschaft vor. Durch eine geschickte Variation der Gespraechsthemen gelang es mir mich nach wenigen Minuten aus der regen Diskussion um uebliche Taschengeldhoehen, Zahlungsabstaende und Gegenleistungen zurueckzuziehen und in den ersehnten, wettkampfvorbereitenden Tiefschlaf zu fallen. Geweckt wurde ich erst wieder als Neumi sein Oldsmobil mit einem energischen Tritt auf die Bremse in der Parkluecke zum Stillstand brachte.
Wirklich wach wurde ich wenig spaeter, als wir beim Betrachten der Startliste feststellen mussten, dass sich neben zahllosen Groessen des Mastersrennsportes das komplette Team Neff gemeldet hatte. Obwohl wir nun hellwach und bis in die aeussersten Haarspitzen adrenalingeladen und entsprechend aufmerksam waren, gelang es uns weder auf den beiden Warmfahrrunden noch im Getuemmel des Startes die genannten Fahrer zu entdecken. Ein, im Nachgang des Rennens eilig durchgefuehrter Abgleich der Ergebnislisten, zeigte, dass es in Bayern zeitgleich ein attraktives Rennen, ohne Berge und ohne Picardellics, dafuer mit reichlich Ranglistenpunkten gab.
In unserer aengstlichen Fixierung auf Neff entging uns eine wirkliche Gefahr. Und so wunderte ich mich die gesamte erste Runde welcher Fahrer von Chantelli/Radsport Heinze ueber diese unfassbare Kraft und Ausdauer verfuegte, um Am Berg und auf den wenigen flachen Stuecken permanent Druck machen zu koennen. Erst als sich der Fahrer gemeinsam mit Arndt vom Feld loeste und etwas Ruhe einzog lichtete sich der Schleier meiner Wahrnehmung: Weber fuhr diesmal im Vereinstrikot und nicht im Teamtrikot. Spaetes Wissen, allerdings an der Stelle eh unverwertbares Wissen, liegen doch Welten allein schon zwischen unseren Lungenvolumina. Neumi, getrieben von den frenetischen Rufen seiner Frau und der Geliebten (aus Gruenden der finanziellen Repressionen hat Neumi beide Aufgaben in einer geeigneten Person vereint, trennt jedoch streng zwischen den sehr unterschiedlichen Aufgaben) haelt sich in der ersten Runde staendig dicht hinter der Spitze. Allerdings erliegt er waehrend der ersten Zieldurchfahrt der Verlockung seiner Frauen und zoegert einen Moment zu lange. Kurz bevor er in den zaertlichen Armen der sehnsuechtigen Geliebten versinken kann, greift die Ehefrau zu drastischen Mitteln und Neumi ist Sekunden spaeter wieder Bestandteil der 12koepfigen Spitzengruppe. Auf der Abfahrt ins Muldental troedelt sich das Feld wieder zusammen und geht gemeinsam zum zweiten Mal den Kohlenberg an. 5 Fahrer ergreifen mit viel Wagemut und noch mehr Kraft die Initiative und loesen sich an dem steilen, sonnigen Stueck kurz vor dem Ort vom Feld und gehen gemeinsam in die Abfahrt.
Waehrend der Proberunden hatte mir in einer Linkskurve eine schwarze Katze aufgelauert, um kurz vor mir die Strasse zu queren (von links nach rechts), dementsprechend war einige Willenskraft vonnoeten, um die krampfhaft umklammerten Bremsen loslassen zu koennen. Mit geschlossenen Augen und Mantragesaengen auf den Lippen gelang es mir die duesteren Prophezeiungen zu verdraengen und ich kam als erster der 5 Verfolger, die die Verfolger verfolgen wollten, wohlbehalten an der Mulde an. Das breite Spektrum der Kettenschaltungen ausschoepfend, stiefelten wir hinterher. Hinter uns folgte in groesserem Abstand der Rest des Hauptfeldes mit Neumi.
An dem Anstieg in Grimma konnten wir wieder aufschliessen und gingen nun vereint mit den anderen 6 Fahrern in die Abfahrt. Der Abstand zu Weber/Arndt wuchs trotz unserer Bemuehungen stetig.
Trotzdem es wesentlich ruhiger und gesetzter als auf den beiden ersten Runden zuging. troepfelten einzelne Fahrer aus unserer Gruppe raus und so waren wir in der letzten Runde nur noch zu siebt. Keller wurde nun spuerbar nervoes und alle anderen schielten auf sein Hinterrad. Absetzen konnte er sich mit dem Hamburger Fahrer am Kohlenberg. Wir folgten zu viert, waren uns jedoch nicht wirklich einig und so sahen wir die beiden in Grimma zwar ploetzlich 150 Meter vor uns, allerdings war es da schon zu spaet. Aus den Augenwinkeln beobachteten wir uns skeptisch und zaehlten bereits die moeglichen Wertungspunkte. Keller holte sich in seiner Heimatstadt den dritten Platz und wir absolvierten die 200 Metermarke. Gleichauf mit Focus erhoehte ich den Muskeltonus. Die Augen inzwischen fest auf die Markierung "150 Meter" gerichtet, die Ohren gespitzt. Da, hinter uns wurde krachend geschaltet, das war das Signal fuer meine Muskulatur. Ich trat an und rettete mich an der Spitze unserer kleinen Gruppe unter dem brausenden Jubel tausender Einheimischer bis ueber die Ziellinie.
Neumi folgte wenig spaeter und konnte seinen Punktestand (und damit seine Steuerungsmoeglichkeiten zur Hoehe des Taschengeldes) gleichfalls verbessern.
im Hobbyrennen starteten Christian und, als einzige Frau unter 130 Maennern, Sandra. Christian konnte sich die ersten beiden Runden in der Spitze behaupten, musste dann jedoch dem nachhaltigem Tempo nachgeben und kam dicht hinter der Spitzengruppe ins Ziel. Sandra, von hunderten Maennern, umschwaermt konzentrierte sich aufs Rad fahren und kam als erste Frau ins Ziel.
Nachdem der Kohlenberg durch die bereits absolvierten Rennen viel von seiner Steilheit und Laenge eingebuest hatte, konnte das Hauptrennen starten. Gleich 4 Picardellics nahmen die Chance zur Punktejagd war. Waehrend Matze und Eric sich von Anfang an auf die Spitze konzentrierten, versuchten Holgi und der wieder genesene Mister Zylinder das Feld aus der Mitte heraus zu packen. Ein ploetzlich auftretendes lokal begrenztes Erdbeben der Staerke 14,8 (Nach oben offene Holgiskala) brachte Holgers extrem leichtes Vorderrad ins Wanken. Holgi versuchte sofort sein Gewicht zu verlagern. Leider hatte in seinem Falle die Brigitte-Diaet im Juli angeschlagen und so konnte sich das Laufrad blitzschnell aufschaukeln und hob infolge von der Strasse ab. Mister Zylinder, in dessen neuem Titankniegelenk neben verschiedenen Servomotoren auch rueckwaertige Kameras angebracht sind , reagierte blitzschnell und bevor Holgis restliches Rad gleichfalls abheben konnte und mit Holgi auf Nimmerwiedersehen im Blau des Himmels verschwunden waere, in diesem Moment hakte Mr.Z. sein Sram-Schaltwerk in Holgis Speichen und beendete den Hoehenflug. Ueberschwaenglich bedankte sich Holgi und bot Mr. Z. sofort die Blutsbruederschaft an.
Eric gruebelte derweil ueber den drohenden Pruefungsaufgaben seines Lehrganges und verlor darueber den Anschluss an die Spitzengruppe. Seine im Ziel lauernde Geliebte versuesste ihm den Trennungsschmerz und fokussiert seinen Blick nun auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben: seine Spuele in ihrer neuen Kueche. Und so war Matze der letzte der Picardellics in aussichtsreicher Position. Waehrend seine Taktik (schnell fahren und das Feld zuegig zerlegen) bei den Weltmeisterschaften im Radmarathon aufging, setzten sich in Grimma die Fahrer mit einem differenzierteren Krafteinsatz durch und zogen auf den letzten 100 Metern an unserem ausgepowerten Marathonmatze vorbei.
Die Welt drehte sich fuer einige Stunden nur um Radsport in seiner schoensten Form. Neumis Nachwuchs hatte uns Flaschen gereicht und damit unmittelbar Anteil am Punkteregen. Zufrieden und gluecklich glaubte er nun die Welt (in dem Falle Grimma) laege im zu Fuessen und schnuerte sein Raenzlein. Unter dem Vorwand seinen Vater der auf der anderen Seite der Familienkutsche stand, suchen zu wollen, machte er sich auf den Weg ins Ungewisse. Waehrend also Neumi und seine Geliebte in den Augen versanken, bemerkte die Ehefrau den Ausbruchversuch eines ihrer Maenner. Auf ihre Hilfeschreie eilten die herumstehenden Polizisten herbei und schwaermten mit Personenbeschreibungen aus. Markus hatte sich bei den ersten Schreien neben den Bordstein geworfen und naeherte sich jetzt, eskortiert von einem Dutzend Polizisten, seine Geldboerse mit dem Taschengeld in den erhobenen Haenden, seinen Erziehungsberechtigten.
Vereint, gluecklich und zufrieden liessen wir auf der Rueckfahrt die spektakulaeren Ereignisse Revue passieren und blicken freudig auf das naechste gemeinsame Rennen.
Das freundliche Adoptionsangebot ablehnend,
Thomas