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Rund um Sebnitz

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Picco, der Bergkönig
+++ Picco leichtfüssiger Bergkönig in Sebnitz +++ Matze austrainiert auf Platz 5 +++ Uwe Ampler, das objektive Auge des Zielsprintes +++ Sandra unterwarf sich das Jederfrauenfeld +++ Neumi kassiert Seniorensieg der Jedermänner +++ Holger übermütig beim Löcherzufahren +++ Jan beendet die Saison 2007 +++

Soweit die Kurzfassung eines langen, herbstlichen Sonntags in der sächsischen Schweiz.

Für all diejenigen, für die Radfahren mehr ist als die wertungsfixierte Zielerreichung, für diejenigen, für die Essen mehr ist, als den beißenden Hunger zu stillen, für diejenigen, die Sex mit ausdauernder Leidenschaft, mit glühender Inbrunst und mit einem langen, sonnigen Vorspiel verbinden, also für all die feingeistigen Genießer in der heutigen, schnelllebigen, finanzoptimierten und geizgeilen Zeit im folgenden eine etwas detailliertere Schilderung der dramatischen Ereignisse, der triumphalen Erfolge und der glücklichen Momente beim Ausklang unserer Straßensaison in Sebnitz.

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die Bergprinzessin
Holgers anhaltendem Telephonterror, seinem werbenden Drängen und seiner geschickten Überzeugungsarbeit konnte ich irgendwann nichts mehr entgegensetzen und ließ mich resigniert in seinem automobilen "Lob der Langsamkeit" nach Sebnitz chauffieren. Nun schon erfahrener beim Transfer in historischen französischen Autos, gelang es mir, sehr zu Holgers Freude, die feinen Unterschiede in der Klanglage der fünf ersten Gänge seines Rentner-Renaults wahrzunehmen und zu würdigen. Die Schönheit der sächsischen Schweiz, üblicherweise beim Training nur verschwommen und ganz am Rande des eingeschränkten Sichtkegels erkennbar, ließ sich während der Fahrt erstmals in vollem Ausmaß wahrnehmen. Welch Freude war es dabei zudem, ein Samenkorn am Wegesrand keimen, spriesen, blühen und vergehen zu sehen. Die Welt und die Zeit lagen uns zu Füßen.

Noch während wir uns, in diversen botanischen und philosophischen Betrachtungen versunken, unaufhaltsam Sebnitz näherten, absolvierten Neumi und Sandra im Jedermannrennen bereits ihre ersten Runden auf dem bergigen Kurs durch die Kunstblumenstadt.

Das wochenlange Höhentrainingslager mit einfühlsamer Hormonbehandlung trug unmittelbare Früchte und Sandra wie auf Engelsschwingen ins Ziel. Nur mit Mühe war sie nach drei Runden zum  absteigen zu bewegen. Die Jedermänner atmeten erleichtert auf und durch und erholten sich in der folgenden etwas ruhiger gefahrenen Runde. Neumi hatte trotz einer rauschenden Geburtagsnacht seine Gegner konsequent und fest im Auge. Außenstehende Beobachter hielten ihn und Klaus Hieckmann zeitweise für siamesische Zwillinge. Erst der fulminante Zielsprint nach der siebten Runde, in der der Pirnaer Radverein seine personelle Überlegenheit nicht ausspielen konnte oder wollte, zeigte, dass Neumi sich sehr wohl und sehr deutlich von Klaus lösen konnte. Triumphierend reckte er den Seniorensiegerpflasterstein vom Siegerpodest in den blauen Himmel und bewies damit einmal mehr, dass die Picardellics auch im höchsten Alter noch in der Lage sind zu feiern, zu fahren und zu siegen.

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Neumi, der Berglöwe
Nachdem die letzten Jedermänner endlich die Strecke frei gemacht hatten, bauten sich all die Fahrer am Start auf, die es bislang noch nicht geschafft hatten, Radrennen zu gewinnen bzw. bislang nicht in der Lage waren, hamstergleich Platzierungen für den Aufstieg zu sammeln. Die Elite C-Fahrer nahmen gelassen 11 Runden in Angriff.

Matze verstärkte das erfahrene Rundfahrtteam der Picardellics. Auch er hatte sich in wochen-, ja monatelangen Höhentrainingslagern akribisch auf den Saisonabschluß und sein drittes Männerrennen vorbereitet. Allerdings lieferte die jüngste Hormonkur bei ihm teilweise sehr überraschende und unvorhergesehene Ergebnisse: er wurde nach dem Rennen sekundenlang schweigend im Zielbereich angetroffen.

Nach dem ruhigen Start schwemmte mir das Laktat die Waden im Zuge der ersten Bergüberquerung derart auf, dass die Trinkflasche zwischen den müde rotierenden Beinen zerrieben wurde. Jan kam an meinen Waden nicht vorbei und mußte aufgeben. Holger litt zu dem Zeitpunkt ebenfalls mit aufgeschwemmten Beinen bei einem Tempo weit jenseits seiner bisherigen motorisierten Erfahrungen.

Jegliche Schmerzen tolerierend hielten wir uns mit zusammengebissenen Zähnen im Feld. Glücklicherweise ließ die Steigung nach. Der Schmerz schloß sich an und wir rollten an der Klinik vorbei. Barken engten die Straße auf eine Fahrspur ein. Das Feld schwenkte herüber und versuchte sich durch die verbleibende Lücke zu pressen. Einzelne Fahrer klatschten dumpf frontal auf die ersten Barken, konnten sich jedoch auf ihren Rädern halten. Auf der Ideallinie der folgenden Linkskurve lag eine Verkehrsinsel, deren Überquerung Runde für Runde einfacher wurde. Die anschließende lange Abfahrt hinab ins Tal der wilden Sebnitz bot uns schwergewichtigen Fahrern die kraftsparende Möglichkeit, zurück in den vorderen Teil des Feldes zu kullern. Der weltberühmte Sebnitzer Kreisverkehr drosselte nochmal das Tempo des Feldes. Einheimische Fahrer fädelten sich verwegen durch den Schilderwald und ersparten sich damit die Bremserei um die enge Kurve. Am Kurvenausgang zog sich das Feld wieder in die Länge und die athletischen Körper der Fahrer streckten sich über die Lenker.

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Pics vor dem Berg
Erst in der dritten Runde konnte ich den grassierenden Schwächevirus besiegen und meine Beine fühlten sich wieder wie Beine an. Das Wuchten von Zementsäcken wich einer grazileren Bewegungsform. Die neue Leichtigkeit des Seins genießend, sah ich mich gar nicht so weit hinter Picco und Matze, ja fast schon in der Spitze des Feldes. Zu meinem Leidwesen wurde das Tempo in den geradzahligen Runden durch Picco und Matze am Berg immer wieder forciert. Picco drückte und zog derart, dass am Ende keiner der jugendlichen Mitfahrer mit ihm konkurrieren konnte und Piccos gewonnene Bergwertungen ausreichten, um ihn zum Sebnitzer Bergkönig zu krönen. Seine wiederholten Tempoattacken am Berg mußte Picco erst in der vorletzten Runde bezahlen, als er die Spitzengruppe mit Matze ziehen lassen mußte. Matze schob sich auf den letzten Metern der letzten Runde noch soweit nach vorn, dass er im finalen Sprint um Platz 4 kämpfte. Es war eine knappe Entscheidung, die Schiedsrichteraufzeichnungen zudem nicht eindeutig, die Photos des Zieleinlaufes teilweise verschattet. Erst das erfahrene und unparteiische Auge des Exfriedensfahrers und stolzen Nachwuchsvaters Uwe Ampler, brachte Licht in das Dunkel der Platzierungsreihenfolge: Rick Ampler hatte unzweifelhaft in seinem ersten Männerrennen Platz 3 ganz knapp verfehlt und demzufolge eindeutig Platz 4 erkämpft. Matze wurde glücklicher 5. und bringt das nächste Mal ebenfalls seinen resoluten Vati mit zum Rennen.

Während also Matze und Picco vorn im Feld um die Bergpunkte feilschten, kämpften Holgi und ich ums überleben bzw. genossen die einprägsamen Momente des Lebens auf der Strecke. Der in Runde sieben angesetzte Sprint zog das Feld derart in die Länge, dass es am Berg zeriss. Eine Runde fuhren wir auf Sichtweite hinter der Spitzengruppe. Ein Interesse der knapp 15 Fahrer an der Führungsarbeit war dabei nicht erkennbar. Trotzdem kam die Spitzengruppe nicht weg. Victoria und die verbliebenen, trotzig kämpfenden Picardellics mühten sich redlich eine weitere Runde lang den Abstand nicht weiter wachsen zu lassen. An der Steigung hinterm Kreisverkehr verlor Holger dann die Nerven und keulte jugendlich unbeschwert und scheinbar schmerzfrei das 70-Meter-Loch zu. 15 Mann in seinem Windschatten.

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Pics am Berg
Unsere Jugend. Unsere Zukunft. Holger nimmt mit seinen fulminaten Tritten Generationen vergreißender Sportler jegliche Zukunftsangst.

Stolz wies ich die anderen Fahrer auf die überragende Leistung, die Tapferkeit und den Mut meines Mannschaftskameraden hin, seinen Rentner-Renault verschwieg ich dabei großzügig. Holger saugte sich und uns an die Spitzengruppe heran. Er schlängelte sich agil durchs Feld. Irgendwann fanden wir uns neben Picco wieder, der lautstark über die Schönheiten der Strecke referierte, während wir verzweifelt versuchten, unseren unkoordinierten Speichelfluß wieder unter Kontrolle zu bekommen. Picco versuchte mich ins Gespräch zu integrieren. Ich mußte ihm kopfschüttelnd schnaufend die Antworten auf seine vielen Fragen schuldig bleiben, da bereits die nächste Bergwertung nahte. Holger setzte derweil seine Fahrt durchs Feld fort.

Holger!!

Holger fährt rechts an allen vorbei an die Spitze. Vor der Rechtskurve und dem steilen Anstieg zur Wertung! Holger hält auch noch an der Spitze das Tempo hoch. Zieht nochmal an. Wieder blau-weiß an der Spitze. Eine Situation, die ich aus den letzten Runden bereits gut kenne - zuerst verschwimmt die Umgebung vor den Augen, dann schießt der Schmerz aus den Beinen ins Gehirn, das Blut trommelt in den Gehörgängen und übertönt das Pfeifen der kollabierenden Lunge.

Holger!!

Holger steht noch vor der Wertung wie angeheftet. Wartet er auf mich?

Holger! Freund! Chauffeur! Rentensicherung!

Nein! Das Feld hat ebenfalls auf blau-weiß reagiert und mitgezogen, weitergezogen. Und wieder zerreißt das Peleton. Diesmal fällt Holger weiter zurück. Kraftlos. Ernüchtert. Einsam.

Mit drei anderen Fahren sehe ich inzwischen wehmütig das Feld mit Picco am Horizont verschwinden. Zwei Runden kullern wir zu viert hinterher, um dann gleichfalls haarscharf auf Platz 4 bzw 5 hereinzukommen. Amplers Auge lichtet das nun dramatische Chaos unparteiisch.

Unter unserem tosenden Jubel nimmt Picco die Ehrungen zum Bergkönig entgegen. In seinem letzten Männerjahr holt Picco den begehrten Sebnitzer Bergpreis.

Allein. Ohne Unterstützung seiner Eltern.

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Rudi, der Berg ruft
Die Diskussionen um Platz 4 und 5 ziehen sich schier endlos in die Länge. Matzes Einspruch wird abgeschmettert. Mein Einwurf gleichfalls auf Platz 4 hereingekommen zu sein, geht völlig unter. Holger, der ebenfalls auf Platz 4 ankam, wird ignoriert.

Ohne zu wissen, welche Platzierung Matze nun errungen hat, radeln vier zufriedene Picardellics zurück nach Dresden.

Bratwurst muß in Hohenstein Franzis hohem Druck Tribut zollen und abreißen lassen. Mich zwingt die Sehnsucht nach der Kurzen und der Kleinen magnetisch an Franzis Hinterrad. Glücklicherweise biegt sie in Niederpoyritz ab. Jan und ich holen wieder tief Luft und lassen uns die restlichen Kilometer männlich vom Rückenwind treiben.

Sehr zur Freude der beiden zuhause wartenden Frauen endet damit eine lange Straßensaison. Das letzte Rennen ist glücklich verlaufen. Nun endlich zieht Ruhe ein. Kein sonntägliches Straßenrennen mehr. Die Saison ist zuende. Der Sonntag gehört der Familie, der Kurzen, der Kleinen.

Liegengebliebene Aufgaben haben sich inzwischen genügend angesammelt. Der Sprachunterricht der Kurzen muß intensiviert werden. Das Kulturprogramm der Kleinen muß abgearbeitet werden. Das Dach kann gedeckt werden. Das Wohnzimmer sollte tapaziert werden. Die Herbstfurche im Garten muß endlich gezogen werden. Der Wagen wartet auf die Durchsicht. Die Bilder im Flur können angebracht werden. Das Regal wird nun endlich fertig. Die Wäsche, die Windeln, der Spül ...

Nächste Woche beginnt die Cross-Saison,

erinnert sich schlagartig

Thomas

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