Hier ist die Ergebnisliste.
Die Bilder des Rennens sind in der Galerie zu finden.
September 2007,
Doch eine kleine Gruppe leistet Widerstand.
In Ponikau, wenige Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Sachsens findet die zweite Auflage des berühmten Ponickauer Dreiecksrennen statt. Nur die austrainiertesten, härtesten und erfahrensten Fahrer wagen sich an den Start. Wackelkandidaten kippen im Angesicht der morgendlichen Regenschauer wieder ins Bett. Und so stehen an einem windigen Sonntagmittag im September gut 70 motivierte Fahrer und 4 schnelle Frauen mehr oder weniger aufgeregt, mit mehr oder weniger rasierten Beinen und mit sehr unterschiedlichen Erwartungen am Start.
Im Vorfeld des Rennens hatte die neue Organisationsleitung in endlosen Gesprächen, langen Mails und kontinuierlichen Forumseinträgen die notwendige Helferzahl und das benötigte Equipment rekrutiert. Psychologisch geschickt nutzte unser Cheforganisator in seinen Schreiben verschiedene Elemente der Hysterie und Penetranz, um zu zögerliche Vereinsmitglieder an ihre zahlreichen Pflichten zu erinnern. Im Ergebnis dieses engagierten und rastlosen Bemühens fanden die Teilnehmer am Sonntag eine säuberlich gefegte Straße mit eindeutigen Markierungen vor. Alle Kurven und Abzweige waren gesperrt und mit breitschultrigen, furchteinflößenden Sicherungsposten versehen. Die Anwohner der angrenzenden Ortschaften wurden instruiert und mit Winkelementen ausgestattet. An der Anmeldung managten unsere Damen den Ansturm der Massen. Manch Radler holte sich hier mit Blick auf Anjas Beine, Angies Lächeln oder in Christins braune Augen das letzte Quentchen Motivation und Elan.
Die Besetzung aller Posten rings um das Rennen war perfekt gesichert. Doch dann, ganz plötzlich und unerwartet, fällt dem Rennkomitee auf, dass bei unserem eigenen Rennen keine eigenen Leute, niemand im wunderschönen und immer wieder beneideten weiß-blauen Picardellicstrikot am Start steht. Panik machte sich unter den Organisatoren breit. Nur mit gewiefter Lobbyarbeit gelang es Matze (in den letzten 14 Tagen ohne jegliches Training - also keine Runde über 150 km), JJ (eben noch erfolgreich beim Ötztaler) und Danny (noch mitten in der Regeneration nach unserer CSR-Runde) zur Teilnahme zu bewegen. Gemeinsam mit drei unserer schnellsten Frauen, die mit dem Versprechen diesen Sonntag nicht spülen zu müssen, gelockt wurden, ergab sich ein beachtliches Aufgebot. Alles schien geregelt, bis dann jemand feststellte, dass unsere explizit eingeladenen und sehr sensiblen Freunde aus dem cielab-forum wieder mal verbal sehr stark tönten und dabei gewohnt diffus blieben. Von "stänkern" war aus der Sicherheit des www heraus die Rede. Derart aufgeschreckt begaben sich die vorgesehenen Picardellicsfahrer in den Ausstand. Die Situation wurde ihnen zu unübersichtlich. Fahren wir als Mannschaft wie in Görlitz, dann fließen bei cielab wieder dicke Enttäuschungstränen, ob des eigenen Unvermögens gemeinsam zu starten und gemeinsam zu fahren. Fahren wir gar nicht, verlieren die unerfahrenen Bafögempfänger den Bezug zur Härte des wirklichen Lebens und verlieren sich in endlosen Threads ohne Rechtschreibung, Grammatik und Thema.
Was nun? Was tun??
Das bewährte Rundfahrteam der Picardellics, erprobt in zahllosen Mehrtagesfahrten der Saison 2007, gestählt im Wind Mecklenburgs, gehärtet im Regen Sachsens wurde von der Brandenburgrundfahrt zurückbeordert, um diese schwierige Situation zu bereinigen. Ruckzuck, nach wenigen Nächten endloser Diskussionen war die Taktik klar und wir standen alle gemeinsam am Start in Ponickau.
Vorstand Uwe schoß das Rennen an und sprang gewohnt grazil ins verstärkte Cabrio. Das Feld setzte sich zur neutralisierten Einführungsrunde in Bewegung. Die Picardellicsvorstände genossen die Zeit, an der Spitze des Feldes fahren zu können und noch Luft zum reden zu haben. In der ersten Zieldurchfahrt wurde das Rennen freigegeben und Frank setzte sich an der Position des Führungsfahrzeugs vors Feld. Straff pedalierend, versuchte er seinen Testosteronspiegel auf ein ehekompatibles Maß zu senken. Das Feld ließ ihn gewähren. Er kämpfte sich gegen den Wind und verlor zusehens die Lust. Einzelne Fahrer, die der Verlockung einer einsamen Fahrt im Wind nicht widerstehen konnten, gingen hinter ihm ebenfalls ein und bereuten ihre einsam getroffene Entscheidung sichtlich. Nach Franks Rückkehr ins Feld versuchte Jan mit zwei Freibergern sein Glück. Er konnte sich soweit vom Feld entfernen, dass sein Leid und seine Schmerzen nicht mehr sichtbar waren. Wohl wissend, dass da sehr wohl etwas zu sehen sein muß, kämpfte ich mich, einen cielabyoungster am Hinterrad, an ihn heran. Schon auf der halben Runde Aufholjagd beglückwünschte ich mich zu meiner Entscheidung mit zwei Trinkflaschen (dem internationalen Zeichen für eine geruhsame Trainingsausfahrt, nicht zu verwechseln mit dem Signal welches zwei große Trinkflaschen ausstrahlen) zu fahren, Lunge und Beine waren spürbar nicht im Gleichklang, während die Beine sich immer weiter aufplusterten, bildete sich in der Lunge ein vollständiges Vakuum. Egal, 100 Kilometer mit Freunden und einem klaren Ausbildungsziel vor Augen sollten wohl noch zu schaffen sein. Hoffte ich noch in der dritten Runde. Endlich bei Jan und seinen Freiberger Mitfahrern angekommen, genossen wir die Zeit zu sechst im Wind hinter dem Führungsfahrzeug. Leider wollte das Feld lieber bei uns sein und schloß wenig später wieder auf. Die leichten Steigungen wurden allmählich zu Bergen. Anfangs versuchte ich meinen notwenigen Wiegetritt noch etwas zu tarnen, konnte dann aber erleichtert feststellen, das das gesamte Feld immer wieder in den bewährten Frauenfahrstil fiel und meine Schwäche damit in der Masse der keuchenden Fahrer unterging. Völlig auf die Atmung konzentriert, wuchtete ich mich in der fünften Runde wieder über den Brennerpaß und konnte mir den Sprintausgang danach nur von Michi erzählen lassen. Die Kraft reichte noch zum Zuhören. Die Geschwindigkeit ging etwas zurück und das Gefühl Radrennen zu fahren wich gleichfalls. Mit dem Temporückgang ging auch mein und offensichtlich auch Jans Puls zurück und wir verpassten schlaftrunken geworden die Gruppe, die sich ganz allmählich in der 7. Runde absetzte. Mit zusammengebissenen Zähnen und hektisch fliegenden Beinen versuchten wir lange 4 Kilometer lang den Anschluß wiederherzustellen. Es war uns noch zu früh, um im Gruppetto zu versinken. Dirks empfindlicher Vittoria vertrug die Tempoverschärfung nicht und ließ die Luft entweichen. Neidisch schaute ich zu Dirk zurück und versuchte dabei die meine tonnenschweren Beine am rotieren zu halten.
Vereinigt rollten wir in der dezimierten Spitzengruppe weiter. Das Tempo glich bald wieder einer Grundlagenausfahrt und so fuhr Matze mit dem späteren Seniorensieger etwas davon. Das Feld versuchte mehr oder weniger konsequent die beiden zu stellen. Jan und ich versuchten konsequent diese Verfolgungsjagd zu stören. Matze ließ sich noch mal ins Feld zurückfallen, verabschiedete sich förmlich von uns und machte sich mit seinem Begleiter wieder davon. Wenige Runden später hatten alle Fahrer in der Spitzengruppe bemerkt, dass der Ausreißversuch erfolgreich sein könnte. Einige wenige Fahrer versuchten nun noch vehementer die Verfolgung zu organisieren. Ganz stark dabei die Fahrer aus KW, die verbal und zeichensprachlich immer wieder alles gaben, um ein Gemeinschaftsgefühl im Wind zu wecken. Jan und ich waren jedoch immer wieder am Hinterrad des jeweils führenden Fahrers und wechselten logischerweise nicht mit durch. Da der Windschatten unserer breiten Hüften zu gemütlich war, dauerte es immer wieder lange, sehr lange bis sich neuerlich ein Fahrer in den Wind setzte und versuchte das Tempo hochzuziehen. KW verausgabte sich derart im Wind, das sogar Jan, unser Sprinter mit der Schnelligkeit eines kalten Kachelofens, die Sprintstärke Zippans im Zielsprint übertrumpfen konnte. Bis dahin stand jedoch erst einmal der Zwischensprint in der 10. Runde an. Cielab, mit zwei großen Flaschen antäuschend, setzte sich am Berg (Jaufenpaß) soweit ab, das der dritte Platz scheinbar weg war. Ich hatte wieder mal nach Sauerstoff schnappend nicht wirklich mitgezählt, wähnte das Feld noch beisammen und verausgabte mich deshalb in einem Sprint um Platz 3, der eigentlich schon Platz 4 war, dann doch Platz 3 war, weil der spendable Veranstalter die Sprints ebenfalls in Altersklassen wertete. Nach dieser logistischen und kräftezehrenden Meisterleistung versuchte ich die restlichen 5 Runden im Feld zu überstehen. Am Mount Ventoux setzte sich Cielab sitzend (!) von unserer Gruppe ab und ging daran die Führenden einzuholen. Er überraschte mich mitten in meinen Überlegungen, ob man nicht doch schon im September das 23er Winterritzel montieren sollte. Als sich eine Runde später dann auch noch ein Sebnitzer Fahrer kraftvoll absetzte, konnten Jan und ich uns lediglich noch in die Augen sehen und leise das Haupt schütteln, mehr war nicht möglich, zu dünn wurde die Luft. Frank, inzwischen im Adrenalindefizit, war uns in dem Moment leider auch keine Hilfe.
Der Weixdorfer Schwimmverein bemühte sich währenddessen weiterhin konsequent darum, unsere Gruppe an die Führenden heranzubringen. Schwimmer sind es offensichtlich gewohnt viel zu schlucken und so griff sich der Fahrer in jeder Runde eine neue Flasche von der niedlichen Wasserträgerin, die er am Berg abgestellt hatte. Mit dem zunehmenden Wasserbauch vergeudete er jedoch offensichtlich zuviel Kraft und konnte am Ende ebenfalls nicht mehr maßgeblich zusetzen
Plötzlich. Überraschend. Leidenschaftlich.
In Gedanken an die noch offenen Hausaufgaben setzte sich einer der noch leidensfähigen Kopfjäger mit mächtigen Tritten vom Feld ab. In Sekundenschnelle riß er ein minutenlanges Loch und versuchte zu seinem Webgesprächspartner aufzuschließen. Michael Zippan sah seine Chance und versuchte gleichfalls mitzugehen. Hatte ich bislang Verständnis für den Hausaufgabendruck unserer jugendlichen Zukunftsicherung, konnte ich jedoch KW nicht einfach so wegkullern lassen und blieb an Michaels Hinterrad dran. Das Feld tat es mir gleich und so waren wir nach kurzer Zeit wieder alle gemeinsam auf der Gegenwindgeraden hinter einem traurigen Kopfjäger. Sein Kopf pendelte nun zunehmend nach hinten und er tat alles menschenmögliche um aus dem Wind zu kommen. Umsonst. Der Weg sich selbst zu überwinden ist lang und windig. Erst am Mortirolo hatte das Feld erbarmen und nahm ihn wieder in seiner Mitte auf.
In den letzten Runden bis zum endgültigen Sprint zeigten sich völlig überraschend einige Mitfahrer im Wind und versuchten sich abzusetzen. Sie hatten den stärker gewordenen Wind unterschätzt und schnell und willig integrierte sich „Skoda - Motor des Radsportes“ wieder im Feld.
Im Glauben, Frank spare seine Körner für den Sprint, versuchte ich in der letzten Runde die zunehmenden Anzeichen für akuten Sauerstoffmangel zu überwinden, schaltete beide Augen wieder zu und forcierte das Tempo. Der Wind hatte weiter zugenommen. Die Anwohner sicherten inzwischen ihre Dächer, das THW rückte bereits aus, um die Schäden einzudämmen und wir, wir stolzen Radrennfahrer, wir setzten unseren Weg zum Ziel unerschrocken und tief über den Lenker gebeugt fort. Frank trauerte seinem in der ersten Runde verbummelten Testosteron nach und überließ es Jan, den Sprint unserer Gruppe heimzufahren.
Glücklich im Ziel blieb erstmalig Zeit richtig durchzuatmen und den Tag bei Bohnenkaffee und reichlich, köstlichem Kuchen ausklingen zu lassen. Der Kuchen machte auch die Hiobsbotschaft, dass Matze noch von dem Sebnitzer ein- und überholt worden war, erträglich.
Unsere Amazonen hatten sich, wie so oft erprobt, Beate beugen müssen. Danny hatte zwar alles gegeben, die beiden wieder an Beate ranzufahren, verlor jedoch bei jeder Zieldurchfahrt zuviel Zeit, da er in den dunklen Augen seiner geliebten Ehefrau versank und nur unter Androhung drakonischer Strafen zur Weiterfahrt zu bewegen war.
Mit dem erfolgreichen, sturzfreien und kuchenreichem Ausgang des 2. Ponickauer Dreiecksrennens,
zufrieden
Thomas