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Vogtlandcup

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Rudi vor dem grauen Rest
Es gibt Rennen, für die wird  das Teilnehmerfeld schon weit vor dem Start geschickt ausgedünnt. So lies sich Dirk, ein Recke von einem Mann, geboren für Radrennen, prädestiniert zu siegen, von einer geschwätzigen Alliance aus ewig gestrigen, jammernden Triathleten und jugendlich-zurückhaltenden DSC-Fahrern einschüchtern: "Da steht 'ne Wand in Coschütz, ein verdammter, senkrechter Berg, am Ende mit Überhang, nur mit kompliziertester Grifftechnik und freihängend zu überwinden".
Was Stürze, verschärfte Tempi, furiose Streckenführung nie vermochten, Dirk lies sich beeindrucken und kullerte mit Jammerjan Sonntags im Grundlagenluschentempo durchs schattige Erzgebirge, während der mental belastbarere Rest der Picardellics Eric nach Plauen chauffierte, um den heißen Atem des Drachens zu spüren.

Während der Startaufstellung wurde zur Erleichterung der 70 Fahrer die Verpflegungsbeschränkung wegen der 34 Grad im Schatten aufgehoben. Das Feld setzte sich, noch während der Starter mit der Pistole kämpfte, in Bewegung. Zügig, den kühlenden Fahrtwind genießend, schoß das Peleton aus Coschütz heraus. Im Anschluß an die leichte Steigung bogen wir in den stetig wehenden Wind und ich suchte hektisch hinter einer rot-weißen Wintergartenwerbung Deckung. Bis ich merkte, das der Fahrer offensichtlich Wintergärten statisch repräsentieren sollte, hatte das Loch schon signifikante Ausmaße angenommen und überschritt beinahe meine eingeschränkte Sehweite. Bevor also das Feld im Nebel zu verschwinden drohte, gab ich mit schmerzverzehrtem Gesicht mein vorschnell gewähltes Versteck wieder auf, um die restlichen 12,5 Runden weiter im Feld weilen zu dürfen.

Der heiße Wüstenwind wehte uns nach der Spitzkehre auf die Abfahrt und den folgenden, gespannt erwarteten, Anstieg zu. Erstaunlich moderat und relativ kompakt absolvierte das Feld den Berg und überquerte gemeinsam das erste Mal die Ziellinie. Danny hatte leider immer noch  mit dem klebrigen Asphalt zu kämpfen, war er doch beim Warten auf den Start, unter Ines' feurigen Blicken bis zur Nabe im schmelzenden Straßenbelag versunken.  Seine folgenden Versuche den Teer vom Rad zu schaben, erinnerten an 4000jährige Kulturtechniken der Feldbestellung und die Erfindung des Tiefpflügens. Die während des Rennens immer noch und permanent an seinem Rad haftenden kindskopfgroßen Teerklumpen, zwangen ihn mit inzwischen rotglühenden Felgen und leicht schwelendem Carbonrahmen zur Aufgabe.
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Völlig erschöpft im Ziel
Die eingestreute Zwischenwertung in Brockau ging an die Spitzengruppe weg, die sich eingangs der 2. Runde gebildet hatte. Die wilde Verfolgungsjagd nach dieser Gruppe lieferte die schnellste Rundenzeit. Aus den Augenwinkeln konnte ich immer wieder neben oder vor dem Feld, aber immer mitten im Wind, Dirkus bewundern, der einsam und allein seine Runden ziehen wollte. Auf der Abfahrt schoß Michi jedesmal aalgleich, tief über den Lenker gebeugt durch das Feld und konnte somit als erster in den Berg gehen, um danach, wenn ihn das Feld überrollte, schmerzhaft und nachhaltig erkennen zu müssen, dass das Leben als Hase nicht einfach ist.
Auch anfangs in der dritten Runde drehte Dirkus noch seine einsame Bahnen im Wind. Michi brillierte in der Abfahrt und ich versuchte nicht im weichen Asphalt stecken zu bleiben. Der Anstieg wurde vom inzwischen etwas dezimierten Feld wieder im Grundlagentempo gemeistert. Lust auf eine wirkliche Verfolgung der sich inzwischen gebildeten Spitzengruppe hatte niemand und so viel das Tempo beständig. Dirkus immer noch seitlich im Wind.
In der gefühlten 25sten Runde, völlig orientierungslos und ausgetrocknet, erkundigte ich mich verzweifelt hoffend, nach dem Rundenstand. Das Ergebnis war ernüchternd. Wir hatten noch nicht mal die Hälfte des Tagessolls geschafft und die Augäpfel glichen schon jetzt gut abgelagerten Rosinen.
Dirkus kam in der Hitze des Tages dem wild peitschenden Ende des Feldes zu nahe und in unmittelbarer Folge zu Fall. Im Ergebnis waren die üblichen Schürfwunden, ein leicht angeknackstes Selbstbewußtsein und die frustrierende Hatz hinter dem Feld, bis er in der 12. Runde rausgenommen wurde, zu verzeichnen.

Kurz vorm Ziel erwarteten Anja und Ines uns immer wieder mit Trinkflaschen voller frischen, reinem, klarem Quellwassers. Hatte man endlich seinen Blick von Anjas Beinen gelöst, müßte mann nur noch mittels 53x12 versuchen Anjas Sprint zu folgen, um endlich in den Besitz des labenden Getränks zu gelangen.  Michi, der offensichtlich zu lange im Tief der dunklen Augen hängenblieb verlor bei einer dieser zahllosen Übergaben  den Anschluss ans Feld und widmete sich infolge den Sehnsüchten seiner Geliebten. Glücklicherweise konnte diese sich zwischenzeitlich losreissen und mich weiter mit dem stärkenden Trunk versorgen. Anjas ausgeprägte Marathonambitionen fanden hier in Coschütz endlich einen ersten und für die Picardellics spürbaren Nutzen.

Eingangs der Steigung brüllte mir jedesmal ein Betreuer lautstark und speichelsprühend "Bastian" ins Gesicht und zog dabei die Trinkflasche über meinen Scheitel. Dank meiner agilen Reflexe bieb der Helm unbeschädigt und ich freute mich der speichelhaften Erfrischung. Leider war Bastian irgendwann nicht mehr in meiner Nähe und so mußte ich die letzten Anstiege trocken in Kauf nehmen.
Das Tempo im Feld sank auf jeder Runde weiter. Irgenwann kullerte ich mit Bröttchenholergeschwindigkeit  aus der Spitze des Feldes der geruhsam radelnden Rentnerausfahrt heraus und niemand, absolut niemand wollte mit mir mitkullern.  Als dann Ralf Keller wenig später etwas wegradelte, verpennte ich leider im Feld. Eric lies sich weder mit Drohungen körperlicher Gewalt noch mit den Versprechungen paradisischer Glückseligkeit überzeugen, hinterherzuspringen und so versuchte ich mein Glück allein. Allerdings erschien mir das schattige Bushäuschen in der Spitzkehre derart einladend, dass ich nur mit äußerster Willenskraft, knirschendem Zahnschmelz und rutschenden Reifen zurück auf die Straße fand, wo mich das Feld gern wieder aufnahm.
Aber dann, endlich, am Berg, der wieder im Grundlagenluschentempo ala Dirk und Jan (diesen Sonntag mit dicken Gängen und zierlichen Frauen im Erzgebirge) angefahren wurde, zog "lemond" (schönes Rad von der falschen Firma) am Horn und wir konnten uns absetzen. Zwei aufgesammelte Junioren vervollständigten das Quartett und begleiteten uns eine Runde. So gelang es uns den Abstand zum Feld aus- und zu Spitze abbauen. Das Juniorenrennen endete just in dieser Runde und so zogen wir weiter zu zweit unsere Kreise. Irgendwann konnten wir den Schmerz in Ralfs Augen sehen, der sich zunehmend öfter hilfesuchend umdrehte. Gemeinsam mit einem aus der Spitzengruppe abgesprengten Fahrer schlossen wir in der vorletzten Runde auf.
Anjas frisches Quellwasser schien verlockender als die weitere Runde unter Männern und so mußte ich meine letzte Runde unter Ralfs gestrengen Blicken absolvieren. Nachdem wir auch die wesentlichen Gesprächsthemen männlich markant erledigt hatten, überlies er mir die Führung im Anstieg. ich revanchierte mich wenig später und mindestens gleichwertig, indem ich ihn großmütig zuerst über die Linie fahren lies.

Tja und so geschah es, dass erstmalig in diesem Jahr, erstmalig seit dem Bestehen der Picardellics, ein Teammitglied in einem lizenzierten Straßenrennen eine Platzierung unter den ersten zehn heimfuhr. Das Beben der begeisterten Menge, das Jubeln der verzückten Frauenwelt, das Surren der Presseticker, war bis vor die Fernsehgeräte Dresdens zu spüren und so klingelte Jan just in dem Moment an, als ich wieder zusammenhängende Sätze mit verständlicher Grammatik  bilden konnte, um ihm damit seine jämmerliche Bergdemut kräftig um die Ohren hauen zu können.

Neumi starte kurz nach uns im Jedermannrennen und mußte völlig allein versuchen die Vereinsfarben ins rechte Licht des heißen Sonntags zu rücken. Bis Runde vier ging auch alles gut, das Schlüsselbein hielt, die Schaltung funzte und die Laufräder standen. Allerdings nutzten die Greizer in der letzten Runde ihre mengenmässige Überlegenheit schamlos aus und attackierten unangekündigt. Neumi schloß nach kurzem Zögern das Loch, um am Berg zu merken, das er allein die Arbeit für den Rest des Felde erledigt hatte. Unsäglich tapfer schob er sich mitten im langgestreckten Feld über die Ziellinie. Seine Körpersprache, seine Haltung, seine fehlenden ersten Worte signalisierten eindeutig: im nächsten Jahr mit allen anderen Picardellics im C-Rennen, über eine vernünftige Distanz, mit Mannschaftsunterstützung und guter Unterhaltung im Rennen.
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Der für die Rückfahrt georderte Zafira, (sauber, ordentlich, penibel) schluckte mehr als eine C-Wanze auf 100 Kilometer und so kam es, dass der Platzierungsbriefumschlag leer zuhause ankam und zwei kleine  Frauen mit einem überdrehten, gestotterten, zusammenhanglosen Bericht von heißen Winden, alpinen Strecken und einem meisterlich besetzten Straßenrennen, vorlieb nehmen mußten.

Völlig dehydriert,

Thomas.

 

 

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