nämlich genau vor einem Jahr, als Lutz den Samsonman 2006 mit Bravur gemeistert hatte, war Annes erstes richtiges Radrennen in den Alpen. Mit den Erfahrungen vom damaligen Test am Katschberg (5km 15%) und dem Müsliman-Trainingslager in diesem Mai, traute ich mir die Teilnahme an diesem seit 1989 durchgeführten Radmarathon zu. Leider hat mein Lutz immer noch mit seinen Knien zu kämpfen, so dass seine Teilnahme ausfiel. Aber drei wunderschöne Tage haben wir uns gegönnt – nach all den großen Ereignissen auf Arbeit wohl verdient.
Als Strecken stehen beim Samsonman für die „kurze“ Classic-Variante 160km mit 3400hm bzw. 220km mit 4600hm für die „Ultra-Strecke“ zur Auswahl, wobei man sich auch tatsächlich bis zur Streckenteilung nach 103km Zeit mit der Entscheidung lassen kann. Da diese am Ende des fünften großen Anstieges liegt, fällt bei so Manchem die Entscheidung an jener Stelle anders aus, als vielleicht ursprünglich geplant... Annes Plan hieß auf jeden Fall: soviel Kilometer wie möglich für das Startgeld (40 Euro) fahren zu wollen.{nomultithumb}
St. Michael im Lungau
Doch von vorn: Wir waren am Freitagabend angereist, um einen gemütlichen Samstag mit ein wenig durch die Täler Rollen, Kühe Kraulen und der Anmelderei zu verbringen. Außerdem muss man ja die regionalen Schmankerln umfangreich ausprobieren: Kaiserschmarrn und Topfnstrudel, bunter Salat mit Kernöl zu Lungauer Kaasnockerln und hinterher noch ordentlich Eis. Summa summarum, die Seele entspannen und die Kohlenhydratspeicher noch mal auffüllen – alles für eine gute Vorbereitung der Radrunde. Eine kleine Massage von Lutz am Abend sorgte endgültig für ausgeruhte Beine und den ruhigen Schlaf fand ich auch. Einzige Angst stellten für mich die ersten 7 km bis zum ersten Anstieg dar, wo es immer sein kann, dass in der Meute von 500 Teilnehmern plötzlich alle ganz vorn fahren wollen, was bekanntlich auch auf einer 10m breiten Straße nicht geht.
Der Start
war leider dieses Jahr auf 8 Uhr festgesetzt worden. In den Jahren zuvor war 7 Uhr und zeitiger gängig. Siegerehrung sollte aber weiterhin 17Uhr beginnen – 9 Stunden für 220 km im Gebirge? So stand ich dann bei Sonnenschein halb acht schon mal am Start, um wenigstens eine gute Position zu haben und damit eventuellen Stürzen im Anfangsgemenge zu entgehen. Ganz allein. Nach und nach füllte sich das Pflaster – aber die Pole Position, dachte ich, die hab’ ich immerhin. Na, denkste! Ein Paul Lindner (x-maliger Sieger und prominentester Teilnehmer) darf dann doch noch fünf vor acht vor dem bunten Band Aufstellung nehmen. Es sei ihm gegönnt – gewonnen hätte er mit seinem 31er Schnitt wohl auch, wenn er sich hinten angestellt hätte. Der Tross hat sich dann auch ganz friedlich in die Berge begeben.
Die erste Hälfte
des Rennens bis zur Streckenteilung nach 103km birgt schon alle 5 großen Anstiege. Es ist einfach wundervoll in den Nockbergen anzukommen, die Hochebene zu genießen. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass man den nächsten Pass auch schaffen wird. Wobei ich immer auch ein wenig ein Auge auf die anderen Damen warf, die auch flink waren – ob die wohl auch die lange Strecke fahren wollen? Und anstrengen musste ich mich schon: Vor dem letzten Anstieg zur Streckenteilung war ich froh, eine Wasserquelle am Wegesrand gefunden zu haben, die mir erstmal wieder Kraft gab, wenigstens dort hoch zu kommen. Und zur Tagesmitte hin wurde es auch schön ganz schön warm, was ich ja gar nicht mag. A propos warm! Für alle, die trägerlose Hosen fahren: es lohnt sich, den Rücken mit Sonnencreme zu schützen. Ich kann jetzt jedenfalls Jonnys Helmdurchschlag auf dem Schädel mit einem eleganten Streifchen über dem Hosenende Konkurrenz machen.
Gefreut habe ich mich sehr, dass es Lutz von der anderen Bergseite her gelungen war auch dort hinauf zu radeln. So gab es eine liebe Begrüßung, die Info, dass schon zwei Damen zur langen Strecke aufgebrochen seinen und freudiges Losschicken in den zweiten Teil. Abkürzen stand nicht zu Frage. Jetzt, wo das kommt, was die Anne kann: sich zum Ende hinaus quälen! Und was für eine Freude sollte das noch werden.
Nach der Streckenteilung
Die Warnung von Lutz und einem Radfreund aus Oldenburg im Hinterkopf, die Hügel im flacheren Teil zum Ende nicht zu unterschätzen, freute ich mich doch, dass die großen Berge geschafft waren. Mit einem Powergel und dem vielen Kuchen von der Labe kam ich auch allmählich aus dem Schwächegefühl heraus. Es bildeten sich Grüppchen. In meinem Fall eine Dreiergruppe: Anne mit zwei prima Kerlen, über deren Windschatten ich zu dieser Rennphase sehr froh war (einer von Beiden überdies aus Sachsen: der Georg aus Zittau). Sowieso: lauter liebe Leute unterwegs. Am Straßenrand immer mal ein Jubelruf und im Feld heimatlich klingende Vereinsnamen aus Cottbus, der Pulsschlag aus Olbernhau... Wir schließen zu einer Dame auf, die uns leider nicht folgen konnte. Aber an der nächsten Labe starten wir dann mit ihr gemeinsam in einer inzwischen auf sieben angewachsenen Gruppe. Mir geht’s mittlerweile auch prima. Der Dursthänger ist dann gänzlich vorüber, als es etwa bei Kilometer 180 zu regnen anfängt – wunderbar! Auch die andren waren, soweit ich es erfragen konnte froh über die warme Dusche. Ich entsinne mich an schöne Gespräche auf dem Rad – es war gute Stimmung in unserer Truppe. Nach Durchfahren des tiefsten Punktes fing nun auch das wellige Terrain an, vor dem ich Respekt hatte. Ich weiß nicht, was man mir in die Trinkflaschen gekippt hatte, aber meine Beine wurden nicht müde. Wir hatten zwar ein wenig ausgemacht beisammen zu bleiben, wegen Windschatten usw., und konnten in der Gruppe immer wieder einzelne Fahrer aufsammeln, aber an irgendeinem der Hügel bin ich dann einfach die letzten 30 km allein weiter gefahren. Es war Rückenwind und ging problemlos mit 40 Sachen über die Geraden und langsamer die Hügel hinauf. Ein tolles Gefühl, sich mit Verlass auf die Beine austoben zu können. Ich hatte bis 10 km vor dem Ziel im Hinterkopf, dass das auch plötzlich vorbei sein könnte und fasste auch an der letzten Labe noch Getränke, aber es ging gut und hätte auch noch weiter gehen können.
Am Ziel
mit Vollgas angelangt, war dann aber Schluss. Mein lieber Lutz hat mich mit großer Freude empfangen und ein paar andere Leute standen auch noch da. 9:23h – 25 min nach Beginn der Siegerehrung? Aber die ließ im (leider) 200m entfernten Festzelt noch bis 18:30 auf sich warten. Auch gut, bis dahin waren wenigstens alle vier Damen von der Langstrecke eingetroffen. Wir konnten so noch meine Wegbegleiter im Ziel empfangen und ordentlich Nudeln und Kuchen essen. Geehrt wurden dann zunächst alle vier Altersgruppen in beiden Geschlechtern auf der Classicstrecke (4*2*3=24 mal Klatschen). Dann die Langstrecke: 4*2*... Da wurde aber als einzige Dame Ziva Verbic (Slovenien), mit einer Spitzenzeit von 8:58:24 aufs Podest gerufen. Siegerehrung vorbei. Drei weitere Damen gucken etwas verdattert. Das Siegerpodest wurde für die nächste Lokalcombo beiseite geschoben. Nach einigem Hin und Her (was der Lutz für mich vertreten hatte) stellte sich heraus, dass die Zieleingangslisten noch von 17 Uhr stammten. Peinlich, peinlich und für die Langstreckendamen eine ziemliche Strafe. Wir erhalten dann später vor dem Festzelt unsere Medallien, machen unser eigenes „Siegerfoto“ und behalten die lustigen Gespräche untereinander und das gemeinsam unterwegs Erlebte als das Schönste vom Tage in Erinnerung.
Wie immer: Ein Wort zur Organisation
Viel Gutes und Einiges zu verbessern:
Plus gibt’s für die groß aufgezogene Organisation mit einer Streckensicherung durch zahlreiche Motorräder und Begleitfahrzeuge. Auch die Verpflegung war prima und es standen viele liebe Leute hinter den Tischen, die flink Trinkflaschen und gierige Hände zu füllen vermochten. Die Atmosphäre beim Rennen war wunderbar.
Leider wurden die „Langstreckenfrauen“ durch einen Lapsus bestraft, der einer solchen Veranstaltung nicht unterlaufen darf – die Zieleingangslisten sollten bei der Siegerehrung auf aktuellem Stand sein. Darüber hinaus ist für eine – wie in den Jahren zuvor – frühere Startzeit als 8 Uhr zu plädieren.
Wir freuen uns auf nächstes Jahr
Anne & Lutz
p.s.: An dieser Stelle auch liebe Grüße an Frank und Dirk - zwei verrrückte Radler aus Heidenau, die mich bei der letzten langen Radrunde zum Fichtelberg begleitet hatten - ich hoffe, Ihr hattet eine gute Rückfahrt!