Beim Traditionsrennen "Rund um die Braunkohle" bekommen die Sieger seit vielen Jahren als Präsent ein Rekordbrikett, ein Stück Braunkohle aus den umliegenden Tagebauanlagen. Zum vierten Male heuer auch wieder für Jedermänner. In unseren Regalen stehen aus den beiden Vorjahren schon einige der begehrten Trophäen. An Erfolge wie 2005 der Gesamtsieg von Ralf W., 2006 Teamsieg, Platz 2 und 3 bei den Männern und gute Platzierungen bei unserem ersten Frauenteam wollten wir in diesem Jahr anknüpfen. Mit 27 Picardellics meldeten wir uns rechtzeitig bei den Neuseenclassics, wie das Rennen in der Neuzeit jetzt heißt, an.
Es lockten günstige Rabattangebote für Teams von 4 Personen, die wohl auch den einen oder anderen Neuling überzeugten, sich einmal auf Strecken von 30, 70 und 110 km zu versuchen. Trotz Dopingkrise im Radsport standen 3mal so viele Radsportrecken wie im Vorjahr an der Startlinie im kleinen Gewerbegebiet von Zwenkau. Ca. 2500 Vorderräder versuchten sich so nah wie möglich an den weißen Strich zu stellen. Die Athleten sollten vorher angeben, mit welcher Geschwindigkeit sie gedenken die Strecke zu befahren. Dafür bekamen Sie farbige Punkte auf ihre Startnummer, um sich dementsprechend in Ihren Startblöcken zu ähnlich schnellen Mitstreitern zu gruppieren. Wartend auf den Start bleibt Zeit, die Mitbewerber um den oben genannten Kohlenstoffklumpen zu begutachten. Dabei sind so viele unterschiedliche Startnummerfarben in unserem Block zu erkennen. Gut, die Fahrer haben wohl besser trainiert, als sie bei der frühen Anmeldung dachten und sind jetzt deutlich schneller, so dass sie hier mit im Block mit 40 km/h stehen können. Der Start erfolgt pünktlich. Wir rollen los. Ein Stück auf der breiten Bundesstraße entlang bis zur großen autobahnähnlichen Bundesstraße geht es mit knapp 50 Sachen im lockeren Feld ins Anfangsstück des Rennens. Ein Rennen, das uns allen doch recht wichtig war. Hatten wir doch am Mittwoch davor geschlagene 2h Teambesprechung mit Powerpoint durchgeführt. Jeder von uns kannte also die Teamtaktik und hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Diese Teamtaktik besagte: auf der Autobahn mit so vielen wie möglich das Tempo so hoch wie möglich zu halten, um das Feld in die Länge zu ziehen. So weit der Plan. Das Tempo war hoch, verdammt hoch. Ein Blick aus dem buntgepunkteten Feld ließ zwei Picardellics an der Spitze erkennen. Jens und Tomtom rissen am Horn. Die Zungen wickelten sich schon ums Kettenblatt. Mann, waren die beiden am Limit! Kurz hinter der Spitze hielt sich Michi sicher im Schatten auf und Matze, Dirk V. und Danny wuselten irgendwo durchs Feld. Doch das war nicht ganz unsere Taktik. Wo waren die anderen? Dirk H. stand schon in der Abfahrt zur Autobahn auf seinem luftleeren Pneu und blieb somit ganz sicher von den folgenden Stürzen verschont. Rudi durfte erfahren, wie sich die nun doch vom Tempo überforderten Fahrer, die mit den bunten Punkten, mehrfach auf der Straße verteilten und fand sich mit gebrochenem Sattel und Helm in einem Knäuel von Körpern und Rädern auf dem Asphalt wieder. Am Markkleeberger See musste ich leider zusehen, wie Danny vor mir vom Rad geholt wurde und ebenfalls seinen Karbonsattel abschreiben durfte. So langsam wurde klar, dass wir die ausgedachte Teamorder im Weiteren improvisieren müssen. Aufgrund der Ausfälle und des unerwartet starken Fahrerfeldes war ein Ausreißversuch in der geplanten Variante nicht möglich. Einige Kilometer benötigten wir um unsere Kräfte zu sammeln und zu schauen, wer überhaupt noch mit fahren konnte. Jacub tauchte immer wieder vorne mit auf, Jonny und Dirk V. waren auch noch mit von der Partie. Matze und Picco sollten nun auf den dem einzigen Anstieg folgenden Wellen ihr Heil in der Flucht suchen. Dafür sollte jemand das Tempo am Berg hochhalten. Irgendwie gelang es mir kurz vor dem Anstieg doch endlich die Spitze des Feldes zu erreichen. Die Kette blieb vorne auf dem Blatt damit sie mir beim Runterschalten nicht verloren ging. Unter großen Qualen und hinten dann doch auch auf dem größten Zahnrad erreichte ich die Bergkuppe. Ich schau mich um noch fünf Leute um mich herum. Na toll. Wer hat den jetzt noch Puste weiter zu fahren? Keiner. Und schon ist das Feld wieder ran. Picco mosert pikiert: „Der Berg ist viel zu kurz. Da komm ich niemals weg.“ Michi immer ruhig in der Spitze fahrend, völlig überrascht: „Wo kommt ihr den plötzlich her?“ Noch leicht vom Berg beeindruckt, rollt das Feld nun endlich gemütlich durch die fast reifen Rapsfelder. Da ich mich bei diesem Tempo endlich vorne im Wind wieder finde, nutze ich meine Streckenkenntnis und den letzten kleinen Hügel um nach vorne anzurucken. Sollten sich doch die anderen nicht einfach ausruhen. Ups. Ist doch gleich ein ordentliches Loch gerissen. Also weiter. Oh Mann, werden die Beine plötzlich schwer. Ich schau mich noch mal um. Da sind sie hinten wieder aufgewacht. Daniel von den Bikekultern (Vorjahressieger, Anm. d. Red.), Matze und noch ein Fahrer schießen mir hinterher. Daniel und Matze hatten es schon mehrfach versucht wegzukommen und jagen an mir mit einem Schrei vorbei: „Los FAHR!“. Ich reihe mich hinten ein und versuche zu folgen. Dies macht aber leider auch das Feld und ist ganz schnell wieder dran. Vorbei mein Traum von dieser starken Fluchtgruppe. Das Feld sammelt sich wieder, es wird wieder ruhiger weil flacher. Keine nennenswerten Vorkommnisse auf den nächsten Kilometern. Ich verstecke mich wieder im Feld und lasse Luma und Jonny den Wind durchpflügen. Ich belehre Matze über den nun folgenden sehr kurvenreichen Streckenabschnitt mit der Hoffnung, dass er hier noch etwas versucht. Muss ich doch mit meiner schlechten Kurventechnik auch noch um die vor mir stürzenden Fahrer drumherum. Es wird wieder gerade. Ich nutze einen Radweg und stürme am Feld vorbei an die Spitze und muss einsam vor dem Feld einen hellblauen Fahrer erkennen. Beim Nachfragen bei den Bikekultern, wer das denn sei, bekam ich nur ein Lächeln als Antwort. Daniel hatte also die Kurven zur Flucht genutzt. Da wir nun langsam auf unsere Sprintkarte Michi setzen sollten, halbierte ich kurz entschlossen seinen Vorsprung und starb im Wind. Klare Bilder sah ich dann erst wieder als ich mit Jacub die letzten 5 km das Feld zum Ziel führte. Der Wind kommt von vorn, ja klar von wo sonst, die Straße gerade und sauber asphaltiert und trotzdem rumpelt es im Feld. Wir drehen uns nicht um. Die Vorstellung reicht uns völlig aus. Wir fahren Anschlag. Scheinbar kommen nicht viele Fahrer zu Sturz. Jetzt ist es Zeit nach Michi zu schauen und einen Zug aufzubauen. Dirk V. erzählt von Michis Kollision mit folgendem Speichenbruch. Und Tschüß. Auch dieser Trumpf verspielt. Und dabei hat der Veranstalter den letzten Kreisverkehr so schön asphaltiert und die Renner hauen sich trotzdem auf die Straße.Wir rollen alle einzeln ins Ziel. Den Sprint gewinnt ein Tandem. Die weiteren Sieger sind vor zwei Jahren noch GS3 gefahren. Wir sind geschlagen und enttäuscht. Bleibt nun die Hoffnung, dass unsere Frauen das Gemetzel auf der Strecke überlebt haben und ins Ziel kommen. Beate Zanner aus Gera(Vorjahressiegerin, Anm. d. Red.), hatte sich die ganze Zeit recht sicher im Hauptfeld aufgehalten und als einzige Frau in diesem auch das Ziel erreicht. Im ersten großen Verfolgerfeld kommt schon Franzi ins Ziel. Ihr folgt Sandra im nächsten Feld. Niemand hat einen Überblick über die Platzierungen. Wir warten noch auf unsere Frauen der 70 km Runde. Inzwischen haben wir herausbekommen: Franzi ist Dritte, in der Mannschaftswertung werden unsere Plätze 5 und 6 auch noch geehrt. Wir dürfen also doch zur Siegerehrung. Hierbei gibt es noch weitere Organisationsprobleme, so dass es wie in den Vorjahren nicht zu ordentlichen Ehrungen kommt. Schade. War doch der Kampf und die begehrte Kohle so heiß gewesen.
jantel